vierundzwanzigster August | 2021

    Nageln Schrauben, oder Kleben?

    Als ich mit knapp 19 Jahren zu Hause ausgezog, fand ich schnell heraus, dass ich, unter anderem, keine Ahnung und kein Werkzeug hatte. Das mit der Ahnung ging in Ordnung, die Universität zeigte sich da versöhnlich, ja, sogar vorbereitet auf Typen wie mich. Mit dem Werkzeug stand ich alleine da, vereinzelt in den eigenen vier Wänden. Der Privatier besorgte sich die ihm notwendig erscheinenden Objekte: Schraubenzieher, Bohrmaschine, Schraubenschlüssel, Schrauben, Dübel, Hammer, Nägel, WD 40 und Panzerband, verstaut in einem grauen Kasten mit zwei Henkeln zu 8,99€, bzw. 17,58DM.
    Mit all diesen Objekten konnte ich im besten Fall mittelmäßig umgehen. Im Internet versandte man Faxe und nannte sie Emails, und kein youtube tutorial konnte mich retten. So murkste ich mir einen zurecht. Besonders beschämend: mein Versuch einen Spiegel an der Stahlbetonwand zu befestigen. Beim Bohrversuch tat sich nichts, außer, dass ich unzumutbaren Lärm und Gestank verursachte. Und so klopfte ich für jede Öse drei Haken zwischen Stahl und Beton, unendlich behutsam, langsam, gefühlt über Stunden, dass sie irgendwie ihren Weg in die Wand fänden und sich das Gewicht des Spiegel teilen mochten. Natürlich hing der Spiegel danach leicht schief, und stets fürchtete ich, dass er mir entgegenkommen würde. Vier Jahre lang lebten der Spiegel und ich in Angst zusammen. Wenn ich mich morgens darin besah, war da im Spiegel auch immer ein Mangel an Vertrauen in die Konstruktion als Ganze. Egal ob Hanteltraining, Gel in den Haaren, oder Rasur – es gibt kein richtiges Bild im falsch aufgehängten Spiegel.

    Viele Jahre später geriet ich auf Facebook einmal in einen Streit mit Stefanie Sargnagel. Das ist natürlich Quatsch, Stefanie Sargnagel wird sich an meinen und ihren Kommentar nicht erinnern. Auch ich weiß nicht mehr genau, worum es ging. Ich forderte Mäßigung in einer Diskussion von Leuten, deren Meinungen mir durchaus vereinbar schienen, die sich aber trotzdem heftigst beleidigten. Die öffentliche Person Stefanie Sargnagel goss, den Regeln entsprechend, einen Eimer Scheiße über mich. Ernsthaft beleidigt, sah ich von weiteren Kommentaren ab. Ich hatte keine Ahnung, wer Stefanie Sargnagel war und auch die berühmte zähflüssige Härte österreichischer Verhältnisse war mir kein Begriff, mit dem ich hätte spielen können.

    In der Zwischenzeit bin ich mehrfach umgezogen, zuletzt wieder in ein Haus aus Stahlbeton. Auch hatte ich mir aus der Erfahrung heraus irgendwann einen Bohrschlaghammer gekauft. In dieser neuen Stahlbeton-Umgebung konnte ich damit leider nur wenige Arbeitsplatten und Regalbretter anbringen, ehe das Werkzeug auseinanderbrach. Widerständig geworden, fand ich aber meinen alten Bohrer aus der Studentenzeit zwischen all den anderen Dingen, die ich in den letzten 20 Jahren der Bastelei gekauft hatte. Ich bohrte wieder – brutal, unter vollem Einsatz meines Gewichtes, brach Bohrer ab, und machte, gefühlt über Stunden, Löcher in die Wand. In der Luft hing der Gestank von verbranntem Metall, die Nachbarn ballten Fäuste und reckten sie in die Höhe, über den Zaun, damit ich sie auch sehen konnte. Mir selbst zitterten die Hände, und roter heißer Staub hatte sich in meine Haut und Atemwege gebrannt. Er war vielleicht das Zeichen des Tatmenschen?
    Ich setzte mich kurz, trank ein Bier, und stellte im Angesicht dieser Metapher meiner persönlichen Entwicklung die alles entscheidende Frage: Wie weit würde ich es heute im Internet treiben, damit mich im Spiegel am Morgen ein Sieger erwartet?
    Ach so, den Spiegel habe ich diesmal mit Tesa-Klettverschlüssen an der Tür befestigt, das hatte ich mal auf youtube gesehen. Ganz ohne Bohren und Nageln und, den Regeln entsprechend, keiner Meldung wert.

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