Extreme Germanising!
    Ach, die 90er. Bei RTL Samstag Nacht gab es diese Reihe: Far Out! The Hardest Trends in Town. Im Verlauf einer Episode wurden die beiden Protagonisten (Mirko Nontschew und Tommy Krappweis) beim Versuch einem angeblichen neuen amerikanischen Trend nachzugehen meist körperlich hart versehrt. Unvergesslich für mich: Extreme Microwaving, wo es darum ging, die Füße möglichst lange in der Mikrowelle zu grillen. Wer als erster aufgab, naja, war eben eine Pussy und hatte trotzdem verkrüppelte Füße. Damals war Deutschland Vorreiter, der interkontinentale Import Jackass noch unverbundene Aminosäure in der Ursuppe des Privatfernsehens. Jetzt haben wir die Zehner Jahre. Allein wie das klingt. Zum Nachweis des Verfalls rege ich eine Geschichte des deutschen Hip Hop im Spiegel des deutschen Nationalismus an, Jan Boehmer- und Dendemann, hallo? Aber ich schwof ab.

    Was hat sich der stumpfe Antiamerikanismus hierzulande links wie rechts bestätigt gefühlt: im Anblick der politischen Volten und Brüche der USA und insbesondere im Weg der Republikanischen Partei. Das Amerika post 9/11 – von George Bush’s Patriot Act über die grassroots-Atrappe ‚Tea Party‘ und schließlich Donald Trump – erschien uns Ausdruck einer uniformierten, von Hollywood, der Wall Street und Shell [Fügen Sie hier Ihren hass-Konzern ein] willfährig instrumentalisierten Wählerschaft, die sich dick und breit zum eigenen Imperialismus, Rassismus und Kultur-Chauvinismus bekannte. Im Heute allerdings meldet sich der deutsche Stammtisch derart laut zu Wort, dass wir darüber die evangelikalen Kreuzritter aus dem mittleren Westen und den Multimilliardär mit Flokati-Käppi vergessen haben. Vielleicht erscheinen sie uns auch gar nicht mehr so fremd, sind uns näher, gegenwärtig, wo Andreas Scheuer fordert Menschen mit Asylstatus oder im Verfahren befindliche Asylbewerber… nein, so dezidiert hat er sich nicht ausgedrückt. Scheuer fordert entsprechende Gesetzesänderungen, um alle ‚Flüchtlinge‘ ohne rechtskräftige Verurteilung, nur auf Verdacht und auch bei Bagatell-Delikten auszuweisen. Ich glaube das ist es, was er sagen wollte, der liebe Herr Scheuer, der als angehöriger der Traditionspartei CSU auf allerlei Berater zurückgreifen kann, die wissen wie man rhetorisch geschickt gegen das Grundgesetz argumentiert, um den rechten Rand abzugraben. Seit Franz Josef Strauss hat dem Volk niemand mehr so genau in die Zahnzwischenräume geschaut und die Funde in vertraute Form gepresst.

    Wissen sie wie Wurst gemacht wird? Das hat ein anderer Bayer einmal prägnant zusammengefasst: „Am Verwesen gehinderte Leichenteile armer, geschundener Tiere abgefüllt in deren eigenen Kotkanälen.“ Toll, stünde neben jedem bürgerlichen Esstisch ein Metzger im Prozess des Wurstmachens, der Vegetarismus wäre mehrheitsfähig. Aber ich will die Nation in diesen Zeilen nicht unnötig spalten. Liebe Fleischesser, ich bin einer von ihnen, nicht einer von diesen Veganer-Nazis, wenn ich auch bisweilen aus versehen, oder bewusst auf Fleisch und tierische Produkte verzichte, einfach so.

    Im Jahre 2016 wird es keine deutsche politische Debatte ohne Hitler mehr geben, es tut mir leid, die Ähnlichkeiten sind zu frappierend. Doch Obacht, Himmler, zum Beispiel, war gar kein Metzger, sondern Hühnerzüchter, hier muss man mit Analogien vorsichtig sein, um nicht tendenziös zu werden. (Lügenpresse!) Ulrich Thamer hat in seinem dicken Buch über den Nationalsozialismus als einen der vielen Gründe, für die Ereignisse rund ums Dritte Reich den inneren Schweinehund angeführt. Plötzlich waren Ressentiment, rücksichtslose Machtausübung, Chauvinismus nicht mehr zu unterdrücken, sondern Staatsraison. Je besser man seinen Sadismus und Hang zur Gewalt innerhalb der Nazi-Analogie auszuleben wusste, so sicherer war die Karriere. Wer grundlos seine Frau erwürgte, blieb sicherlich ein mieser Hund – nicht jedoch, wenn er sie in flagranti bei der Blutschande erwischte.
    Dem Nationalsozialismus wird attestiert, er habe kein philosophisches, intellektuelles Programm hinter oder unter sich. Jetzt wo Mein Kampf wieder neben der Gartenlaube und der Luther Bibel in jeden deutschen Haushalt Einzug finden kann (könnte, aber wer will schon eine kommentierte Ausgabe? Kommentare am Rand erinnern eingefleischte Fans zu sehr an die Thora) also jetzt, wo diese Meisterwerk wieder jedem zugänglich ist, können belesene Neonazis auch mit Studienräten wieder in, naja, sagen wir, Dialoge treten. Zitat, A. Hitler: https://youtu.be/yq-rZXw4beI?t=3m51s

    Die AfD hält sich einen Hausphilosophen, der, so war in der FAZ nachzulesen, allerlei interessante deutsch identitäre Dinge ins Parteiprogramm der AfD hineinschreiben will. Natürlich nicht so reißerisch und gebrüllt wie die Straßenslogans der Unterstützer. So wird aus: „Wer Deutschland nicht liebt soll Deutschland verlassen” im Sprech von Marc Jongen, dem (ehemaligen?) Sloterdijk-Jünger unsere, des Deutschen lieblich romantische Sehnsucht nach einer guten alten Zeit. Dieses ‚uns‘ sei nun endlich wieder getrieben von einer mutigen Empörung, die zur politischen Bewegung führe. Jongen distanziert sich dabei weder von Björn Höcke, noch von den Forderungen der Sprechchöre. Sie seien Ausdruck eines Übermuts, den dieses ‚uns‘ [mit anderen Worten: Volkskörpers] jetzt ins politische Feld führe. Ein neues Selbstbewusstsein, dass im Zuge einer „Psychopolitik“ das deutsche Volk im Widerstand stärke, im Widerstand gegen, Zitat: „robustere Naturelle“.
    Als ich das las, schwappte der Funke der Volksgemeinschaft zu mir über. (Wer noch Zweifel an meiner politischen Gesinnung hat, prüfe die Metapher). Glücklicherweise muss ich gar nichts dazu tun, um dieser Gemeinschaft anzugehören, denn eine der zentralen Forderungen erfülle ich qua Geburt. Nein, nein, nicht was sie denken. Nicht meine Hautfarbe, meine Sprache, oder meine Schwäche für Wurscht sind es, die mich eignen. Es ist die Ausprägung meiner primären Geschlechtsorgane, dank derer mir die „Erziehung zum Männlichkeit“ zuteil wurde. Herr Jongen, der offensichtlich Judith Butler gelesen hat, will gegen die schwabbelig unbestimmte Identität von uns modernen Zwitterwesen das Patriarchat neu in Stellung bringen, die Familie wieder unter Obhut und Fuchtel der männlichen, im Idealfall nüchternen Hand stellen. Wer bislang ein schlechtes Gewissen hatte beim Genuss des traditionell eingeschriebenen Machtgefälles innerhalb seiner Kleinfamilie, darf nun wieder bedingungslos vom Leder ziehen. Die Dankbarkeit der Schutzbefohlenen ist einem sicher. Sie bekommen zwar zwischendurch eine gelangt, oder müssen im Knabenchor ungewöhnliches Gesangstraining zu später Stunde absolvieren, aber wenn sie dem Vater brav ein Schiff bauen auf dem er mitsamt seiner Reichtümer den Fluten der Globalisierung trotzen kann, bis die Knochen der Toten auf dem Grund der See verrottet sind, dann haben sie das Privileg zu überleben und einen inzestuösen zivilisatorischen Neustart zu machen. Das Prinzip des väterlichen Gehorsams hat sich bewährt – ich empfehle zur Lektüre das Alte Testament und Der Pate (ja, auch den dritten, fürs Vaterland), Mad Max sowie die mannigfaltigen Erscheinungen des Vladimir Putin – dort finden wir virile Männer mit echt tighter street-credibility. Alles andere ist ohnehin schwul.

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