Als Barack Obama 2008 der Präsident der Vereinigten Staaten wurde, befand ich mich am Macalester College in St. Paul. Auf ABC-news war zu verfolgen wie nach Auszählung von 16 Prozent der Stimmen und geöffneten Wahllokalen an der Westküste, der Gewinner errechnet wurde. In meiner Erinnerung fällt der entscheidende Moment mit der Dauer eines visuellen Effektes zusammen: das Zeichen des Senders begann sich aus dem zweidimensionalen Bild herauszulösen und zeigte seine virtuelle Rückseite auf der folgendes zu lesen war:
Obama Elected
An den meisten der Anwesenden ging das Ereignis vorbei und es dauerte eine Weile bis das unscheinbare und vom Rest der Sendung unkommentierte Zeichen in der Ecke des Fernsehbildes mit Hochrechnungen aus dem Internet und dem Bewusstsein der Sprecher korrelierte. Mit der Verbalisierung des Sieges der Demokraten entstand dann jener enorme Ausbruch, der dem monatelangen emotionalen Wahlkampf angemessen erschien. Menschen fielen sich in die Arme, zogen sich aus und rannten unbekleidet über den Campus. Man diskutierte hoffnungsvoll die Folgen des Wechsels für Menschenrechte, Umweltpolitik und nationales Selbstverständnis, sah sich am Anfang einer neuen Zeit.
Gestern ist Deutschland Fußball-Weltmeister geworden. Ich habe leider keine Ahnung was bengalisches Feuer, Super -Deutschland und Dosenbier für das utopische Bewusstsein bedeuten können. Auch weiß ich nicht was ein solcher Sieg über das Programm der Parteiischen aussagt.
Der Politik kann all das egal sein, denn sie wird sich über den großen Kessel Dreifarbiges freuen, der da zwischen Kurfürstendamm und Siegessäule hin und her schwappt und bald ein neues Objekt für seine Disposition suchen wird.
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Die Frankfurter Rundschau dokumentiert: Während des WM-Spiels Brasilien-Deutschland twittert CSU Politikerin Dorothee Bär: „7:0 – jetzt ist die Maut durch! ;-)“ Ich freue mich, dass der Betrieb nun die Entlarvung seiner korrupten Prozesse selbst besorgt. Besser lässt sich die politische Funktion von Sport gar nicht zusammenfassend darstellen.
Ich stelle der Äußerung noch folgende Attribute zur Seite: ehrlich, zynisch, verblödet, dreist, selbstironisch. Sie alle stecken zumindest im zwinkernden Emoticon. Hätte ein Politiker der LINKEN sich dazu hinreißen lassen, wäre er am nächsten Tag wohl nicht als coole Type ins Frühstücksfernsehen eingeladen, sondern als Polemiker und Nestbeschmutzer beschimpft worden – ganz ohne Augenzwinkern.