Der ‚Sommer‘ ist in Baltimore ein Ereignis. Es verdient die Metapher des ‚Hereinbrechens‘.
Noch saugen die Bewohner jeden Schwall und Strahl begierig in sich auf. Wenn es dann fließt und fließt, nicht mehr weiß wohin und sich sehr bald wieder über einem staut – wird alles zum Ärgernis. Anfang September ist die verfaulte Luft schließlich nur noch Nährboden für das Übelste. Camus‘ L’Étranger müsste den Richtern in Baltimore zu denken geben. (mildernde Umstände, so scheint es mir, bekämpften zugleich Symptom und Ursache)
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„Oh, wie schön ist Baltimore.“ Der Ausblick auf mein Jahr in Berlin verliert durch die in voller Blüte stehenden Kirschbäume vor meinem Fenster deutlich an Attraktivität. Baltimore sagt: „Bleibe doch, ich bin so schön, Du hattest es vergessen“. Wenn dann im Juni die Fische in der Bucht verenden und man den Sommer satt und ungeheuer fett im Nacken hat, ist das sirenenhafte Versprechen der Kirschblüten allerdings als Betrug erkannt. Niemand will die Zeit zwischen den Semestern in Baltimore verbringen. Die Sehnsucht nach dem anderen Ort wäre dann von Berlin aus eigentlich die Sehnsucht nach der anderen Zeit am anderen Ort – nämlich nach dem Frühling in Baltimore.
Was mir blühen wird: geschwollene Augen und verengte Atemwege im Kontakt mit der deutschen Landschaft. Somnambule Begegnungen in schwülen Nächten voller Antihistaminica werden mir die Sehnsucht auf die birkengelb verstaubte Wange treiben. Dann lese ich durch den Tränenschleier im Spiegel die sich stets erneuernden Linien, das Muster aus Salz und Pollen und wasche mir die Zeichnung des Allergikers vom Gesicht. Der getrübte Blick zurück wird der Vorfreude auf meine Rückkehr allerdings sehr gut tun.
Ein Gedanke zu „“