Im Campus-bookstore der University of Minnesota habe ich einmal ein Buch gekauft. ‚Used‘ natürlich und der Menge nach zu urteilen, die dort auf Vorrat gehalten wurde, war das Buch wohl auf der Leseliste eines gut besuchten Seminars. God is Red stand vorne drauf, über einem native american, photographiert im Zwielicht des Lagerfeuers.
    Von Kollegen und Studenten hatte ich erfahren, dass die – wie die Deutschen sie in der FAZ oder auch der TAZ gerne noch nennen: Indianer – dass also diese amerikanischen Ureinwohner die in den USA am meißten diskriminierte Minderheit darstellen. Bis in die jüngste Vergangenheit wurden auch im Namen der Wissenschaft ganz unglaubliche Dinge gegen diese Minderheit ins Feld geführt. Die Anthropologie war allem Anschein nach noch in den neunziger Jahren an Skelettfunden interessiert, die dann, anstatt sie den Angehörigen des ortsansässigen Stammes zur Bestattung zu übergeben, in Laboratorien zur Untersuchung verschwanden. Die aus amerikanischer Perspektive antiken Knochenreste (spätes 18. Jahrhundert) gaben sicherlich großen Aufschluss über dieses und jenes, und welche Fragen da genau an so ein Skelett vom wilden Mann herangetragen wurden und werden, soll unberührt bleiben.
    Auf der Reise im Auto durch South Dakota fuhr ich durch verschiedene Reservate und sah, dass die geschändeten Gräber der Väter nicht das größte Problem der elenden Nachkommen waren. Ich kam auch an den Ort der historischen Schlacht von ‘Wounded Knee’, an dem ein sehr großes und sehr verrostetes Schild die Geschichte von der Schlacht erzählte, sodass wer es las, am Ende wusste, dass die Schlacht ein Massaker gewesen ist. Die unterfinanzierte alternative Geschichtsschreibung hat auch ein kleines Besucherzentrum zu bieten, dass einem noch mehr dazu sagen kann, sofern es denn geöffnet ist. Pompöser und – zwingend – ebenso affig wie sein Conquistadoren-Pendant mit den vier Köpfen ist das Crazy Horse Memorial, aber das ist ein ganz anderes Thema.
    So hatte ich allerhand Grund mich mit dem Schicksal der native americans auseinanderzusetzen und erfuhr aus God is Red, dass die Dinge in der Verständigung zwischen weißem Mann und rotem Mann ganz fundamental schief stehen. Die lineare Zeit der Weißen sei mit der mythischen Zeit der Roten einfach völlig inkompatibel. Ebenso sei das Verhältnis der europäischen Kolonisatoren zu Grund und Boden, sprich Grundbesitz, absolut unverständlich. Kant hatte, so wie ich das las, zwar noch immer Recht, aber die Konzepte von Zeit und Raum waren dennoch zu verschieden, als dass man sich gegenseitig etwas von Bedeutung hätte sagen können. Zudem enthielt das Buch einige obskure Theorien anderer Wissenschaftler, die zu beweisen versuchten, dass die Erde tatsächlich erst 7000 Jahre alt sei. (Hier haben sich christliche und nordamerikanische ‘native’- Mythologie womöglich einiges zu erzählen.) Als astronomische Ereignisse des Ursrpungsnarrativs mussten ein Einschlag plaetarischen Ausmaßes auf Jupiter herhalten und auch die Venus spielte eine Rolle in der Schaffung unseres Weltraumvehikels.
    Ich sage ‚enthielt‘ – Leider kann ich das nicht mehr nachhalten, da das Buch in einer jener Bücherkisten gelegen hat, die der DHL im Hurricane Sandy über dem Antlantik verloren hat. Der Untergang von God is Red ist immerhin gut dokumentiert und mein göttlich-menschlicher Bund mit Hermes wurde damals durch eine Entschädigung in Höhe von 180 Euro erneuert. Entweder liest nun Poseidon in dem Buch, oder ein variierter Tom Hanks hat es auf seiner Insel bei sich und schöpft Hoffnung aus der Einsicht, dass nichts vergeht und sich alles immer erneuert.
    Das Interessanteste an dem Buch war nun eigentlich das Lesezeichen, dass ich hineingelegt hatte – ein sehr alter zwei Dollarschein, auf dessen Rücken wir die Gründungsväter beim Unterzeichnen der Unahängigkeitserklärung bestaunen können. Eine Szene, die, wie John Adams mir 2008 auf HBO selbst einmal gesagt hat, so niemals stattgefunden hat.
    Warum ich God is Red gekauft habe, kann mir im Rückblick aber nur der Indianer am Lagerfeuer auf dem Cover erklären. Und auch nach South Dakota bin ich nur wegen Alfred Hitchcock und Kevin Costner gefahren, deren Bilder die Landschaft für mich darstellten.

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